In der Welt gab und gibt es bis heute zwei sich sehr voneinander unterscheidende, grobe Typen von Kulturen: die hebräische (oder östliche) Kultur und die griechische (oder westliche) Kultur. Beide Kulturen sehen ihre Umgebung, das Leben und den Sinn dessen in einer Weise, die dem anderen Fremd erscheint.
Mit Ausnahme von ein paar Beduinen und nomadischen Stämmen, die im heutigen Nahen Osten leben, ist die alte hebräische Kultur verschwunden. Was geschah mit dem alten hebräischen Denken und dieser Kultur ? Rund 800 vor Christus entstand eine neue Kultur im Norden. Diese neue Kultur der Griechen begann die Welt sehr viel anders zu sehen als die Hebräer es taten. Rund 200 vor Christus begannen die Griechen in den Süden zu ziehen und so trafen in einer sehr turbulenten Zeit die griechische und die alte hebräische Kultur aufeinander.
Im Laufe der folgenden 400 Jahre tobte sozusagen ein Kulturkampf, bis schließlich die griechische Kultur praktisch alle Spuren der alten hebräischen Kultur eliminierte. Die griechische Kultur wiederum beeinflusste alle folgenden Kulturen einschließlich der römischen und europäischen Kulturen, die schließlich zur amerikanischen Kultur wurde und auch zur modernen hebräischen Kultur in Israel heute.
Als Amerikaner oder Europäer des 21. Jahrhunderts - geprägt durch das griechische Denken - lesen wir die ursprünglich hebräisch-geschriebenen Passagen der Bibel heute zumeist, als ob auch ein Mensch des 21. Jahrhunderts diese geschrieben hätte. Um die alte hebräische Kultur und damit auch die sog. Tenack - das alte Testament - wirklich und in ihrem eigentlichen Sinne verstehen zu können, müssen wir einige der Unterschiede zwischen dem hebräischen und griechischen Denken untersuchen.
Abstraktes und konkretes Denken
Griechisches Denken betrachtet die Welt durch den Geist (abstraktes Denken). Antike hebräische Gedanken betrachten die Welt durch die Sinne (konkrete Gedanken).
Konkrete Gedanken sind der Ausdruck von Konzepten und Ideen in einer Weise, welche zu sehen sind, berührt, gerochen, geschmeckt und / oder gehört werden können. Alle fünf Sinne werden verwendet beim Sprechen, Hören und Schreiben, um der hebräischen Sprache Ausdruck zu verliehen. Ein Beispiel hierfür ist in Psalm 1:3 zu finden. In der deutschen Übersetzung heisst es dort: „Er ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht in der Saison ergibt und dessen Blatt nicht verwelkt“. Hier haben wir im hebräischen Original solche konkreten Ausdrücke: derjenige, der aufrecht, gerecht ist (ins Deutsche übersetzt mit 'wie ein Baum'), gnadenreich (Ströme von Wasser), guter Charakter (übersetzt auf Deutsch als Frucht) und ein nicht vertrocknendes Blatt (Wohlstand).
Abstraktes Denken ist der Ausdruck von Konzepten und Ideen in einer Weise, welche nicht gesehen, berührt, gerochen, geschmeckt oder gehört werden können. Hebräisch benutzt niemals das abstrakte Denken so wie z.B. das Deutsche es tut. Beispiele für das abstrakte Denken sind in Psalm 103:8 zu finden: „Der Herr ist barmherzig und gnädig, ohne wütend zu werden [langmütig], reich an Gnade“.
Wir sagten bereits, dass Hebräisch konkrete und nicht abstrakte Gedanken verwendet, aber in der obigen Passage haben wir abstrakte Begriffe wie mitfühlend, freundlich, Wut und Gnade in einer ursprünglich hebräisch geschriebenen Passage der Bibel. Eigentlich sind diese Sätze die abstrakten, deutsch übersetzten Wörter der ursprünglich hebräisch-konkreten Wörter. Die Übersetzer benutzen sie oftmals auf diese Weise, weil die ursprüngliche, Wort-zu-Wort hebräische Übersetzung keinen Sinn macht, wenn man diese wörtlich in z.B. das Deutsche bringt.
Lassen Sie uns zu einem der abstrakten Worte zeigen, wie das funktioniert. Das deutsche Wort Wut, ein abstraktes Wort, wird gleichgesetzt mit dem hebräischen Wort
(awph), ein konkretes Wort welches eigentlich wörtlich genommen als „Nase" übersetzt werden müsste. Wenn man sehr wütend ist, beginnt man, schwer zu Atmen und die Nasenwände beginnen zu flackern. Ein Hebräer in der alten Sprache beschreibt somit Wut durch sein visuelles Wahrnehmen des Flackern von Nasenwänden. Wenn ein Übersetzer aber buchstäblich die obige, ursprünglich hebräische Passage im Psalm 103:8 als „langsam an Nase“ übersetzt, würde es für den abstrakt denkenden deutschen Leser keinen Sinn machen, so dass „Nase“ in dieser Passage mit „Wut“ übersetzt wird, woraus schließlich „langsam an Wut“ oder „ohne wütend zu werden“ und schließlich „langmütig“ wird.
Darstellende und funktionale Beschreibung
Griechisches Denken beschreibt Objekte in Bezug auf sein Aussehen oder visuelle Darstellung. Hebräische Gedanken beschreiben Objekte in Bezug auf seine Funktion.
Ein Hirsch und eine Eiche sind zwei sehr verschiedene Objekte und wir würden sie nie mit unserem griechisch-geprägten Denken in der gleichen Art und Weise zu beschreiben versuchen. Das hebräische Wort für diese beiden Objekte aber ist ein einziges Wort
(ayil), weil die Funktionsbeschreibung dieser beiden Objekte identisch für die alten Hebräer ist. Die hebräische Bedeutung dieser beiden Wörter ist „ein starker Führer“.
Ein Hirsch ist eines der stärksten und verantwortungsvollsten Tiere des Waldes und wird als „starker Führer“ unter den anderen Tieren des Waldes gesehen. Das Holz der Eiche ist sehr hart im Vergleich zu anderen Bäumen wie dem der Kiefer und wird somit als „starker Führer“ unter den Bäumen des Waldes gesehen.
Beachten Sie die zwei unterschiedlichen Übersetzungen dieses hebräischen Wortes in Psalm 29:9. Die NASB und KJV übersetzt es als „Die Stimme des HERRN macht die Hirsche zu Kalben“, während die NIV es als „Die Stimme des HERRN schüttelt die Eichen“ übersetzt. Die wörtliche Übersetzung dieses Verses auf Hebräisch wäre hingegen gedacht als: „Die Stimme des HERRN macht starke Führer wenden“.
Um das Hebräische ins Deutsche zu übersetzen, muss der Übersetzer zunächst eine griechisch-abstrakte Beschreibung zu diesem Wort geben, weshalb es zwei verschiedene Arten gibt, einen Vers zu übersetzen. Das gleiche Wort
(ayil) wird auch noch als „Herrscher“ in 2 Könige 24:15 übersetzt - die eigentlich hebräische Bedeutung ist aber auch hier wieder eher „der ein Mann ist, der ein starker Führer ist“.
Ein weiteres Beispiel des griechischen Denkens ist die folgende Beschreibung beim Betrachten eines einfachen Bleistifts: „Er ist gelb und etwa 8 Zoll lang". Eine hebräische Beschreibung des Bleistift hingegen würde ausschliesslich seine Funktion in Beziehung setzen, wie etwa „ich schreibe Worte mit ihm“. Die hebräische Bezeichnung verwendet das Verb „schreiben“ während die griechische Bezeichnung die Adjektive „gelb“ und „lang“ benutzt. Wegen der hebräischen Form der Funktionsbeschreibungen werden dort also Verben viel häufiger verwendet als Adjektive.
Unpersönliche und persönliche Beschreibung
Die griechische Kultur beschreibt Objekte in Bezug auf das Objekt selbst. Die hebräische Kultur beschreibt Objekte in Bezug auf das Hebräische selbst.
Wie in dem obigen Beispiel des Bleistifts, porträtiert die griechische Beschreibung die Beziehung des Bleistifts auf sich selbst durch das Wort „ist“. Das Hebräische beschreibt den Bleistift in Bezug auf das Hebräische selbst mit den Worten „Ich schreibe“. Das Hebräische beschreibt keine Objekte in Bezug auf sich selbst, da das hebräische Vokabular das Wort „ist“ nicht kennt.
Eine griechische Bezeichnung Gottes wäre „Gott ist die Liebe“, die Gott in Beziehung zu Gott beschreibt. Eine hebräische Beschreibung wäre „Gott liebt mich“, die Gott in Beziehung zu einem selbst beschreibt.
Passive vs. aktive Substantive
Griechische Substantive sind Wörter, die sich auf eine Person, einen Ort oder eine Sache beziehen. Hebräische Substantive beziehen sich auf die Handlung einer Person, Ort oder Sache.
Die Hebräer sind aktive Menschen und ihr Wortschatz spiegelt diesen Lebensstil. Die griechische Kultur kennt Worte wie „Knie“ und „Geschenk“ nur als Substantive, die von sich selbst aus keine Wirkung erzielen. Im hebräischen Wortschatz aber kommen diese Substantive aus dem gleichen Wortstamm, nicht weil sie durch die Erscheinung verwandt sind, sondern durch deren Aktion.
Das hebräische Wort für Knie ist
(berak) und bedeutet wörtlich „der Teil des Körpers, der verbiegt“. Das hebräische Wort für Geschenk ist
(berakah), was bedeutet, „was mit gebeugtem Knie gebracht wird“. Das Verb aus dem Stammwort ist
(barak), was „das Knie zu beugen“ bedeutet. Wie man sieht, haben die hebräischen Verben und Substantive mit ihnen verbundene Aktionen, die griechischen Substantive nicht.
Auch die hebräischen Substantive für Vater und Mutter sind beschreibende Aktionen. Das hebräische Wort für Vater
(av) bedeutet wörtlich „derjenige, der Stärke der Familie gibt“ und Mutter
(em) bedeutet „diejenige, die die Familie zusammenhält“.
Mit freundlicher Genehmigung vom
Ancient Hebrew Research Center
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