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Hotel Wirecard
Über Brokkoli und Roastbeef in Münchener Hotelzimmern
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Gerichtsverhandlung vom 22. Juli 2024, weitere Ausführungen des ehemaligen Chefbuchhalters von Erffa plus einigen Darlegungen des Gerichts.

Die hier aufgeführten Sachverhalte garantieren nicht für ein vollständiges Protokoll der Vernehmung, sie dienen der detaillierten Einsicht in die Sachverhalte im Gericht. Aufgrund der komplexen und manchmal verbal zügig vorgetragenen Darlegungen könnten sich kleinere Fehler eingeschlichen haben. Bitte kontaktieren Sie uns unter news@sun24.news, sollten Sie Verbesserungen haben oder wichtige Erweiterungen vorschlagen können.


Nach der Einlassung um ca. 9:15 Uhr weist der vorsitzende Richter explizit darauf hin, dass es dem Angeklagten von Erffa frei stehe, Aussagen zu verweigern, oder sich mit seinem Anwalt zu beraten. Daraufhin beginnt von Erffa mit weiterführender Vorlesung seiner schriftlich vor ihm liegenden Aussage, die letzte Woche begann. Von Erffa beginnt mit Darlegungen der sog. "Zitzmann-Liste", einer von der Financial Times (FT) aufgegriffenen Tabelle mit Ausführungen der Drittpartner sowie deren angeblichen Umsätze. Diese wurde immer wieder im Gericht diskutiert, viele Zeugen dazu befragt.
Von Erffa erklärt, die Zitzmann-Liste sei auf seinen Impuls hin erstellt worden, sie ist auf seinen Wunsch hin erstellt und gepflegt worden. Die Liste wurde durch seine Abteilung an die Risikoabteilung, an Jan Marsalek, und auch an die beiden CFOs Burkhard Ley und von Knoop weitergeleitet worden, von Erffa sei "überzeugt, dass die Liste noch mehrere Personen kannten". Von Erffa weiter: "Jeder konnte die Liste haben, der sie wollte, sie war kein Geheimnis". Die Liste war zudem in digitaler Form auf einem für alle in der Buchhaltung und im Controlling zugänglichen Laufwerk gespeichert, wo man diese jederzeit einsehen konnte. Von Erffa widerlegt somit die monatelange, auch dann und wann gerichtlich verursachte Inszenierung einer geheimnisvollen Zitzmann-Liste, die auf wundersame Weise - womöglich noch durch Hinweisgeber Pav Gill - in die Hände der FT gelang.
Von Erffa erläutert weiter, dass die FT letzlich die von Herrn Zitzmann innerhalb von Wirecard versandte Liste vom 16. Juli 2017 veröffentlicht habe. Von Erffa hatte "nie Zweifel daran, dass die Liste von jemandem innerhalb Wirecards geleakt wurde". Dies sei auch bestätigt worden durch die Aussagen von Jana Hilz vor Gericht, die mitteilte, dass Dr. Braun in Kontakt mit dem Accounting Department stand und er ihnen mitteilte, dass es sich um ein Dokument mit Entwurf-Status handele, über den die FT berichte - erkennbar am Zusatz V1. Der Richter fragt nach, ob es sich dabei definitiv um einen Entwurf gehandelt habe. Die Liste habe einen oder mehrere Entwurf-Zustände gehabt, so von Erffa erneut, echte Entwürfe waren mit der Dateiendung V2 und höher zu erkennen gewesen, V1 sei noch nicht einmal ein richtiger Entwurf gewesen.
Von Erffa führt nun durchaus nachvollziehbar anhand eines Beispiels auf, dass Entwurfsversionen der Zitzmann-Liste mit fehlenden oder fehlerhaften Berechnungen von Formeln in den Entwurfs-Excel-Tabellen versehen waren. Er zitiert danach einige Darlegungen aus dem FT Artikel vom 15. Oktober 2019, der sich auf die geleakte Zitzmann-Liste im Entwurf beziehe. Darin heisst es, wie von Dan McCrum geschrieben, dass Al-Alam 2016 für 265 Millionen Euro Umsatz und einen ebitda-Effekt von 173 Millionen Euro verantwortlich sei. Das entspreche 1/4 des weltweiten Wirecard-Umsatzes in dem betreffenden Jahr und mehr als die Hälfte des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen.
Dazu teilt von Erffa nun mit, dass er die Schlussfolgerung der FT für objektiv falsch halte, da es sich letztlich um einen Rohertrag handele, welcher in diesen Listen dargestellt werde, selbst wenn man von einem ebitda-Effekt spreche. Sämtliche Kosten, wie die von Bellenhaus, für Software-Wartung, Prüfungskosten, Messekosten, Versicherung, Umlagen des Konzerns und für die Erteilung eigener Lizenzen einschließlich Integration der Aslan Merchant seien nicht berücksichtigt worden. Die inkorrekte und unpräzise Zeilenbeschriftung habe zu dieser falschen Aussage der FT geführt, so von Erffa.
Die Tabellen wurden überall diskutiert bei Wirecard, auch bei einem Treffen, das nicht vollständig konzentriert ablief. Man habe eigenständige Szenarien und Tabellen entworfen, es gab kein Treffen, bei dem man sich 30 Minuten lang an einen Tisch setzte, um das Problem vollständig und konzentriert zu beseitigen. Dr. Braun war sehr engagiert in diesen Treffen beteiligt, so von Erffa. Die Kommunikation an die FT und die Presse erfolgte auch über Dritte, die inhaltlichen Excel-Fehler wurden als Teil der Kommunikationsstrategie auch an die Presse weiterkommuniziert. Es gab mehrere Pressekonferenzen. Am 16. August 2019 erhielt man dann sogar noch eine Anfrage von FTs Dan McCrum, in welcher er anfragte, warum die Zitzmann-Daten unzureichend (inaccurate) waren.
Die Zitzmann-Listen kamen erneut während der KPMG-Sonderprüfung auf die Tagesliste. Am 3. Dezember 2019 gab es ein Meeting mit der Compliance-Abteiling, Dagmar Schneider war dabei anwesend. Es war klar, dass die geleakte Datei von Wirecard kam, wohl aus dem Konzerncontrolling. Wie genau diese an die Financial Times gelangte, wurde nicht herausgefunden. Es handele sich um nicht finale Dokumente, die insofern auch nicht der Buchhaltung zugrunde lagen. Von Erffa weiter: "Ich habe nicht gesagt, dass die Datei aus dem Controlling kam, sondern nur, dass sie an diese weitergeleitet worden war".
Bezüglich des SoftBank-Deals im Jahr 2019, der einen Wert von fast 1 Milliarde Euro hatte, erklärte von Erffa, dass er nicht an den Vertragsverhandlungen beteiligt war. Der Vertrag wurde unterzeichnet, er war sehr umfangreich, ihm wurde lediglich die Unterschriftenseite vorgelegt. Bis zum Abschluss der Verhandlungen wurde mit SoftBank intensiv verhandelt.

Die Anwaltskanzlei Noerr bereitete den Vertrag vor. Von Erffa: "Ich habe die finale Version des Vertrags nicht gesehen und auch nicht geprüft. Ich denke, ich habe den Vertrag einmal in der Rechtsabteilung gesehen. Dort stand nichts von der Zitzmann-Liste, nichts war dort diesbezüglich zu sehen. Es war für mich auch nicht notwendig oder angebracht, diese Verträge erneut zu prüfen. Herr Küster hatte auch nichts zu einer entsprechenden Klausel gesagt, oder darüber informiert".
Bei Zusammenkünften bezüglich der KPMG-Sonderprüfung soll es ein Treffen gegeben haben, an dem Oliver Bellenhaus mit von Erffa, Jan Marsalek und Markus Braun teilgenommen haben soll. Von Erffa: "Ich möchte klarstellen, dass dieses Treffen nicht stattgefunden hat, jedenfalls nicht mit mir. Bellenhaus gibt an, was ich gesagt haben soll. Selbst in Angelegenheiten in Deutschland habe ich mich regelmäßig an unsere Rechtsabteilung gewandt, eine genannte Kanzlei in Asien war mir völlig unbekannt, ich hatte auch keinerlei Kontakte ins Ausland. Bellenhaus erfindet Geschichten, dass wir das, was KPMG sehen wollte, gemeinsam erörtert hätten". Bellenhaus führte auch aus, dass es ein formelles Audit geben werde, was erhöhte Probleme aufwerfe und man darüber gemeinsam diskutiert hätte, es ging also um konkrete Anfragen von KPMG.
Von Erffa erläutert, dass eine Aufforderung zu einem allerersten Treffen mit KPMG bereits am 5. September 2019 erfolgte. Zwei Monate später, am 5. November, folgte eine Mail von von Erffa an von Knoop, darin heisst es, Zitat: "Hier gibt es erste Anfragen zu einem Treffen mit KPMG bezüglich einer Sonderprüfung. Da ich den Auftrag nicht kenne und auch keinerlei Informationen zu einer solchen Prüfung habe, macht es für mich keinen Sinn, an einem Treffen diesbezüglich teilzunehmen". Die Antwort von von Knoop: "Macht Sinn, Danke für den Hinweis". Von Erffa führt weiter aus, dass er am 5. November 2019 nicht über den Sonderprüfungs-Auftrag informiert war, Bellenhaus verdrehe die Realität. Im Oktober 2019 hatte von Erffa einen letzten Kontakt zu KPMG. Das ihm zunächst versprochene Treffen bezüglich des Globill-Projekts wurde verschoben und dann abgesagt. Neuer Termin wurde der 28. Oktober 2019. Von Erffa: "Ich habe nicht teilgenommen. Ich war nicht im Meeting". Es gebe mehrere Emails zu dieser Angelegenheit, Bellenhaus habe das gesamte angebliche Meeting mit von Erffas Beteiligung frei erfunden.
Von Erffa berichtet von einem weiteren Meeting, bei dem Bellenhaus kündigen wollte. Dr. Braun sei laut Ausführungen von Bellenhaus aus dem Büro gekommen, um ihn zu überzeugen, dass er dies nicht tun solle. Dem widerspricht von Erffa, das Gespräch fand ohne Markus Braun statt. Der Tag, an dem er dann schließlich neu unterschrieben habe, sei der letzte Tag des Konzernabschlusses gewesen. Als Grund für die Kündigung gab Oliver Bellenhaus an, dass er relativ wenig verdiene und viel Arbeit habe, Bellenhaus stellte sich in den Vergleich zum Wirecard Bankenchef Rainer Wexeler, der sich nicht um den Umsatz im Konzern kümmere, gleichzeitig aber sehr viel mehr verdiene. Bellenhaus beklagte sich darüber, dass insgesamt die Komplexität bei Wirecard größer geworden, gleichzeitig die Technik nicht dazu in der Lage sei, diese entsprechend zu skalieren. Frau Steidl und ihr Team müssten laut Bellenhaus wesentlich besser auftreten. Man sprach auch über die Hadoop-Datenbank, von der von Erffa zuvor nie etwas gehört hatte. Die Steigerungsraten des TPA und MCA Geschäfts wurden nicht thematisiert.
Von Erffa fährt fort und erklärt, dass seine Beziehung zu Bellenhaus auch in keinster Weise freundschaftlich war. Braun war bei etlichen, angeblichen Gesprächen mit Bellenhaus und von Erffa ebenso nicht anwesend gewesen, wie Bellenhaus angegeben hatte vor Gericht. Das Büro des ehemaligen CEO befand sich im Gebäude 35. Um in das Gebäude 33 zu gelangen, hätte man von der vierten Etage des Haus 35 ins Treppenhaus, dann in das 3. Obergeschoss, dort über die Brücke von Gebäude 35 ins Gebäude 33, dann wieder ins dortige Treppenhaus, dann wieder hoch ins vierte Obergeschoss gehen und dort klingeln müssen, weil diese Tür dann noch mit Türkarte gesichert gewesen sei.
Von Erffa führt weiter aus, dass auch die Aussage von Oliver Bellenhaus bei der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung beachtlich gewesen sei, als er einerseits auf die Frage mit ja geantwortet hatte, ob er sich damals habe überzeugen lassen, nicht zu kündigen. Auf die Folgefrage, ob ihm eine Gehaltserhöhung angeboten wurde, antwortete er hingegen, Zitat, "nein, zu dem Zeitpunkt noch nicht". In der Hauptverhandlung am 26. November 2020 sagte Bellenhaus zudem, dass die Ende 2015 auf seine Stiftung geleiteten TPA-Erträge von Globebill seine Gehaltserhöhung für die Vergangenheit und Zukunft sein sollten, die er um den Jahreswechsel 2016/17 mit Jan Marsalek getroffen hätte. Von Erffa teilt mit, hier habe Bellenhaus einer früheren Aussage widersprochen, nach der eine Gehaltserhöhung zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal thematisiert gewesen war.
Von Erffa will nun bezüglich des Treffens im Münchener Hotel Andaz berichten, bei dem laut Aussagen von Oliver Bellenhaus er und Marsalek zusammen mit von Erffa angeblich Rechnungen gefälscht haben sollen. Bevor von Erffa dies machen kann, unterbricht der Richter ihn und ordnet eine kurze Pause an. Dabei lässt er alle Verteidiger zu sich nach vorne an den Richterpult kommen, man berät etwas kurz untereinander, was nicht an die Öffentlichkeit weiter vermittelt wird. Bellenhaus habe im Gericht vor einigen Monaten auf explizite Anfrage des Richters gesagt, dass er sich an die Rechnung im Hotel Andraz erinnere. Sie hätten das Essen auf dem Zimmer gegessen.
Laut Bellenhaus hätten er und Marsalek also zusammen im Hotel Andaz Rechnungen gefälscht. Dies sei absolut falsch, so von Erffa. Bellenhaus sagt selbst, dass diese nicht gut gemacht waren. Wie man heute wisse, sei das inoffizielle Büro von Jan Marsalek nur wenige Minuten entfernt von der Hoteladresse am Schwabinger Tor am Englischen Garten gelegen. Schon aus datumstechnischen Gründen hätte so ein angebliches Fälschen der Rechnungen nicht möglich gewesen sein können, da das Hotel am Schwabinger Tor erst am 25. Februar 2019 eröffnet wurde, von Erffa wirft den entsprechenden Nachweis auf den Projektor. Bellenhaus habe im Gericht vor einigen Monaten auf Anfrage des Richters angegeben, dass er sich an ein angeblich explizit ins Hotelzimmer gebrachtes Essen und dessen Rechnung erinnere. Der Hotelmitarbeiter führte dagegen aus, dass es sich um ein Essen im Restaurant handelte.
Man habe also laut Darlegungen des Richters/Bellenhaus im Hotel Andaz in München am Schwabinger Tor Roastbeef gegessen und gemeinsam im Hotelzimmer Rechnungen gefälscht. Dies sei komplett falsch und erfunden, so von Erffa nochmals, weder das Datum noch das Essen passen zu der von Bellenhaus eingebrachten Rechnung. Diese sei eine Rechnung, die explizit vom Hotel angegliederten Restaurant namens Brokkoli und nicht vom Zimmerservice ausgestellt worden war.

Es gab ein Treffen dort im Hotel, so von Erffa, dies sei von ca. 30-minütiger Länge gewesen. Man habe dort nichts gegessen, weder von Erffa, noch jemand der Anwesenden, und auch keine Rechnungen besprochen oder gefälscht. Es stelle sich zudem die allgemeine Frage, warum von Erffa bei Verhören nicht sofort abgestritten habe, dort im Hotel überhaupt im ach-so-geheimen-Zirkel mit Marsalek und Bellenhaus im Hotelzimmer gewesen zu sein, sondern der Chefbuchhalter zuvor offen zugab, das ein kurzes Treffen im Hotel Andaz stattfand.
Von Erffa gibt nun Auskunft über Verträge bezüglich des MCA-Geschäfts in Brasilien. Gesellschaften, die Henry O'Sullivan zugeordnet waren, sollten so um die 100 Millionen Real (ca. 165.000 Euro) nach Brasilien überwiesen werden. Der Vertrag wurde von Marsalek und Ley unterschrieben, wegen der Vertragshöhe habe noch eine Unterschrift des Vorstands gefehlt. Von Erffa schrieb eine E-Mail an Dr. Braun und Marsalek diesbezüglich und bat auch Bankenchef Rainer Wexeler um eine Freigabe. "Mit der Zahlung hatte ich nichts zu tun", so von Erffa, er hatte auch keinen Zugriff auf die Zahlungssysteme der Wirecard-Bank. Die Saldenbestätigungen wurde eingefordert. Frau Görres sei zudem mit auf die Verteilerliste gesetzt worden für die Kommunikation zur Freigabe von M&A-Verträgen, ebenso die Vorstände. Von Erffa habe auch mit Frau Görres über den Vertrag gesprochen.
Von Erffa gibt nun wichtige Sachverhalte um den Tag der Entlassung von Dr. Braun und der Benennung von Interim-CEO James Freis bekannt. Am 18. Juni 2020 habe von Erffa mit der Rechtsabteilung der Anwaltskanzlei Noerr sowie mit der Treasury Abteilung gesprochen und angefragt, ob und wann welche Zahlungen erfolgt seien. Am 19. Juni 2020 wurde weiter gearbeitet. Von Erffa gibt nun an, dass er bereits um diesen Zeitpunkt herum sicherstellen wollte, dass, Zitat, "alles insolvenzrechtlich korrekt" sei, man somit direkt nach dem 18. Juni 2020 bereits eine unmittelbare, harte Wirecard-Insolvenz vor Augen hatte ohne sonderlich Alternativen zu nutzen. Dies sei ihm von Herrn Küster mitgeteilt worden am Samstag, den 20. Juni 2020. An diesem Tag begann auch AR-Vorsitzender Thomas Eichelmann bereits intensiv damit, einen neuen Gesellschaftsplan zu entwickeln, so von Erffa.
Am darauf folgenden Tag, Sonntag den 21. Juni 2020, war von Erffa nicht in seinem Büro sondern bei und mit seinem Patenkind. Am Montag, den 22. Juni 2020, fuhr von Erffa zur Firmenzentrale nach Aschheim, wo er um ca. 8:30 Uhr vor Ort gewesen sei. Seine Zugangskarte war gesperrt, er kontaktierte sofort Alexander von Knopp, der keine Rückantwort gab. Er rief mehrere Assistentinnen an, auch die von James Freis, schließlich habe er gegen 9:30 Uhr einen Rückruf einer HR-Assistentin erhalten, wo man ihn nun zu allererst über seine Freistellung informierte. Von Erffa: "Ich habe nicht verstanden, warum ich freigestellt wurde. Wichtige Termine standen an, Dinge mussten erledigt und eine geordnete Übergabe der Arbeit ermöglicht werden. Ich bin dann nach Hause gefahren".
Von Erffa erklärt weiter, wie er nach Rückkehr von der für ihn verschlossenen Wirecard-Firmenzentrale nun seinen Bruder und Rechtsanwalt angerufen habe, der sich zufälliger Weise auch mit Insolvenzrecht auskenne. Er teilte seinem Bruder mit, dass er nicht über rechtliche Dinge informiert werde seitens der neuen Führung bei Wirecard. Sein Bruder empfahl ihm, aufgrund der Situation seine Position als Geschäftsführer unverzüglich niederzulegen. Um 12:58 Uhr erhielt von Erffa ein diesbezügliches Musterschreiben, welches er nutzte, um seine Kündigung schriftlich zu fixieren. Technisch gesehen war von Erffa in diesen Stunden weiterhin Zahlungsbeauftragter, andere hätten theoretisch in seinem Namen weiterhin Dinge anordnen können. Er habe sich schließlich auch Versicherungsunterlagen zukommen lassen an diesem 22. Juni 2020.
Von Erffa eruiert nun weiter bezüglich der Rückgabe seiner elektronischen Geräte. Der Termin dafür wurde für den 20. Juli 2020 vereinbart. Er fuhr nach Aschheim und wurde in sein Büro eskortiert, dort leerte er Schubladen und Sideboards von seinen privaten, persönliche Dingen wie z.B. Fotos der Familie. Er bestand darauf, ein einziges Gutachten mitzunehmen, da es persönlichen Charakter hatte. Man diskutierte kurz in seinem Büro, ob dies privat oder dienstlich sei, schließlich wurde ihm erlaubt, eine Kopie anzufertigen und diese mitzunehmen. Von Erffa: "Ich habe mich von meinem Team in Begleitung verschieder Compliance-Mitarbeiter verabschiedet". Zu Hause habe er Kopien von Abrechnungen und Dokumenten zunächst gesammelt in die Nähe des Esstischs deponiert. Er trat danach erstmals in Kontakt mit seiner Anwältin Frau Stetter und teilte ihr damals bereits mit, dass er gerne bereit sei, seine sämtlichen Erkenntnisse beitragend zur Aufklärung zu teilen.
Von Erffa erläutert weiter, wie er bereits am 25. Juni 2020 bei Oberstaatsanwältin Hildegard Baumler-Hösl, Oberstaatsanwalt Bühring sowie einem Kriminalhauptkommissar aus München freiwillig vorstellig geworden ist. Er habe eine Beschreibung des TPA-Modells für seine Anwältin erstellt und an Hand der Abrechnungen der TPA ihr die Verbuchung erläutert, von Erffa hatte Kopien von Abrechnungen und Saldenbestätigungen dabei. Zwei Tage später fand dann eine Hausdurchsuchung bei ihm zu Hause statt, bei der Abrechnungen konfisziert wurden - man rückte mit insgesamt sechs Beamten an. Von Erffa: "Sämtliche elektronischen Geräte wurden von mir mit Passwörtern übergeben. Ich wurde dann vor den Augen meiner Frau und den Kindern festgenommen und abgeführt. Das war ein enormer, traumatischer Schock für die Familie".
Von Erffa hat jetzt die Verlesung seines schriftlichen Statements beendet, die letzte Woche bereits begann. Mit Spannung erwarten die Zuhörer nun die ersten Reaktionen des vorsitzenden Richters. Dieser beginnt bezeichnender Weise zu aller erst mit einigen Fragen bezüglich des Sachverständigen Gutachters, also des Autismus-Experten, und will nun ernsthaft in dieser Situation von Erffa persönlich dazu befragen. Der Richter will wissen, ob dort alles so stimme, was im Gutachten stand, was Herr von Erffa gesagt haben soll. Von Erffa sagt, er habe sich auf das Gutachten nicht vorbereitet und wisse nicht, was alles da drin stehe, und was er genau gesagt habe.
Die beiden Anwälte von von Erffa sind darüber nicht sonderlich erfreut und widersprechen dem Richter. Man verlangt, dass der Richter Aussage für Aussage vorhalten solle, damit von Erffa konkret sagen könne, ob eine Darlegung stimme oder nicht. Der Richter nimmt nun in das Protokoll auf, dass von Erffa die Aussage diesbezüglich verweigere. Danach meldet sich von Erffa und legt dar, dass das, was er gesagt habe, gestimmt hat, nicht aber alles, was dort dargelegt wurde - sogar Dinge wie der Wohnort und einige inhaltliche Sachverhalte waren nicht korrekt wiedergegeben. Im Detail wisse er jetzt nicht, was da genau im Gutachten stehe. Die Anwältin von von Erffa meldet sich danach und fragt den Richter per Mikrofon an, was jetzt nach diesen kurzen Erläuterungen von von Erffa im Protokoll stehen würde, worauf der Richter das Protokoll korrigieren muss.
Nun schaut der Richter von Erffa an und fragt ihn, ob er wisse, was das Asservat 431 sei. Von Erffa antwortet, dass dies ein gerichtliches Reservat seiner sämtlichen Email-Kopien sei, plus einigen Ordnern des Group Accountings. Ob er wisse, wie dieses Asservat zustande gekommen sei, fragt der Richter. Von Erffa antwortet, dies sei ab dem 18. Juni 2020 in seinem Auftrag zur Absicherung bezüglich einer möglichen Insolvenz bereits angefangen worden, zusammengetragen zu werden. Ob irgend etwas nachträglich gelöscht worden sei, wird von Erffa befragt. "Nicht dass ich wüsste, vielleicht die eine oder andere Spam-Email", ansonsten sollte alles dort ausfindig zu machen sein. "Somit kann man alle zum Geschäft kommunizierten Emails dort von Ihnen ausfindig machen, richtig?", fragt der Richter nun. "Eigentlich schon, ja", antwortet von Erffa.
Nach diesen Erklärungen zum Asservat 431 lässt der Richter nun ein Dokument auf den Projektor werfen, in welchem in tabellarischer Form in Spalten die vorläufigen(!) Quartalsberichttermine von 2015 an einerseits, sowie die von von Erffa getätigten oder auch angeblich nicht getätigten Emails zur Weiterleitung der so wichtigen Drittpartner-Zahlen andererseits aufgeführt sind. Die Termine für die letzten Email-Termine wurden vom Gericht in entweder roter oder schwarzer Farbe aufgeführt, jeweils kategorisiert nach vorläufigen(!) Quartalsbericht-Terminen. Von den gut 20 Email-Terminen sind so um die sieben schwarz, die überwiegende Mehrzahl rot gefärbt. Der Richter erklärt dem Saal, dass die in rot aufgeführten Datumswerte Email-Termine seien, zu denen von Erffa keine TPA-Zahlen übermittelt habe. Er schaut von Erffa lange an und meint eindringlich: "Diese Liste hier passt nicht zu dem was Sie sagen".
Es wird nun etwas still im Raum, von Erffa sieht etwas perplex aus und weiss nicht so recht, was er antworten soll. Der Richter sagt weiter, dass ohne diese Informationen die Veröffentlichungen der vorläufigen Zahlen nicht möglich wären. Nach Aktenlage hätte er zum Zeitpunkt der Veröffentlichungen der vorläufigen Zahlen die Abrechnungen der TPA Partner nicht gehabt. Dies habe nicht nur Herr Franke gesagt. Von Erffa antwortet, er habe die Daten immer weitergeleitet, sofern er diese bekommen habe. Der Richter hakt erneut ein und meint, dies würde nicht zu der Aussage von von Erffa passen, das dieser "sich nicht um das TPA-Geschäft gekümmert habe".
Von Erffa antwortet, dass es mehrere TPA-Aufgaben gab, er habe aber gewiss keine tiefere Fehleranalysen bezüglich der TPA-Zahlen gemacht, er habe die Zahlen nicht verbucht, sondern sich lediglich darum bemüht, die Zahlen überhaupt zu erhalten. Das war seine Aufgabe. Dem Richter langt dies weiterhin nicht, er fragt nun von Erffa, "warum er dies dann nicht dokumentiert habe", es sei schließlich "eine Riesenverantwortung gewesen", so der Richter etwas pathetisch - er bezieht sich nach wie vor auf vorläufige Quartalsberichte deren finale Berichte rund 14 Tage später auf verifizierten Unterlagen veröffentlicht wurden.
Der Richter meint weiter, dass wenn von Erffa alles für ein ordungsgemässes Geschäft hielt, warum der dann keinerlei Dokumentation diesbezüglich anfertigte, er hinterfragt nun ob von Erffa überhaupt wisse, "welche Folgen das hatte wenn man da etwas falsch dazu addieren" würde. Dies alles "passe nicht zu dem Bild eines Chefbuchhalters, der den Aufsichtsratvorsitzenden angeht wegen einer Fahrtkostenabrechnung", so plötzlich der vorsitzende Aufsichtsrichter. Von Erffa sammelt sich wieder langsam nach diese Überrumpelung und meint, dass er die TPA-Zahlen nicht verbucht habe. Herr Franke habe ihm den TPA-Zahlenstand aus der Buchhaltung gegeben, schließlich ging es immerhin ja auch um vorläufige Quartalsberichte, nicht um die endgültigen.
Der Richter lässt nicht locker und meint weiter, von Erffa sei schließlich der einzige gewesen, der bestätigen könne, das die TPA-Zahlen korrekt seien. Von Erffa antwortet, dass Herr Zitzmann dies ebenso habe tun können. "Auf welcher Grundlage", fragt der Richter. "Dies seien Abrechnungen", meint von Erffa weiter, er habe "nach Gefühl geschaut ob die Zahlen ok waren". Dem Richter langt "das nach Gefühl" hier nun nicht und ist aus irgendwelchen Gründen sichtlich erbost über von Erffa. Von Erffas Anwalt stellt nach einer kurzen Pause klar, dass zwischen den detaillierten Abrechnungen und internen Mitteilungen der TPA-Umsätze einerseits, sowie dem Ergebnis aus den IT- und Buchhaltungssystemen andererseits zu unterscheiden sei. Die Umsätze und Ergebnisse hätten stets vorgelegen, wie von Erffa auch in der Einlassung gesagt hatte. Diese seien für die vorläufigen Zahlen ausreichend gewesen. Für die finalen Zahlen lagen immer die konkreten Abrechnungen der TPA Partner vor.
Von Erffas Anwalt bezieht sich nochmals auf einen Satz von der Gerichtsverhandlung von letzter Woche. Konkret hatte von Erffa am 18. Juli 2024 vor Gericht ausgesagt: "Wir hatten in der Regel die oben als erstes benannten Abrechnungen der TPA-Partner. Wenn diese nicht rechtzeitig zu den Veröffentlichungen über Herrn Bellenhaus vorgelegt werden konnten, dann hat er die Zahlen, wie auch in der zuletzt gezeigten E-Mail - soweit ich mich erinnere - aufgeteilt auf die Partner mitgeteilt. Teilweise waren das auch Abfotografien von einem Bildschirm. Die schickte er per Handy (Telegram)". Der Richter schaut danach von Erffa an und fragt ihn, ob er diesen Ausführungen vollumfänglich zustimmen würde. Von Erffa bejaht.
Nach einigen weiteren Darlegungen des Richters über die anstehende Sommerpause bis zum 19. August 2024 sowie der Verteilung von Selbstleselisten mit angeblich "sehr teuren, englischen Übersetzungen" wird die Hauptverhandlung um ca. 11:40 Uhr beendet.






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