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Wildes Wirecard
Über irre justiziäre Gespräche und zielgenaue Beweisanträge
 
 
 
 
 
 
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Sachverhalte im oder um das Wirecard-Gericht vom 5. Juni 2024.

Die hier aufgeführten Sachverhalte garantieren nicht für ein absolut komplett vollständiges Protokoll der erfolgten Darlegungen vor Gericht, sie dienen der sehr detaillierten Einsicht in die Sachverhalte und Anträge vom Tag. Aufgrund der komplexen und manchmal verbal zügig vorgetragenen Sachverhalte könnten sich kleinere Fehler eingeschlichen haben. Bitte kontaktieren Sie uns unter news@sun24.news, sollten Sie Verbesserungen haben oder wichtige Erweiterungen vorschlagen können.


Nach gut zweiwöchiger Gerichtspause beginnt die Verhandlung um etwa 13:34 Uhr, als der vorsitzende Richter zunächst mit einem Laptop-Netzteil ohne richterlichen Umhang alleine durch die Tür den Saal betritt. Alle Beteiligten und Zuhörer stehen in üblicher Manier von ihren Sitzen auf, der Richter grinst kurz, entschuldigt sich, nimmt sein Ladegerät und verlässt erneut den Saal. Etwa 5 Minuten später betritt das gesamte Gericht den Saal. Zuvor wurde eine Gruppe von ca. 15 Jura-Referendarinnen - ausschließlich weiblicher Natur - ohne sonderliche Kontrollen durch die ansonsten strengen Eingangskontrollen - wie Flughafen - durchgewinkt: sie waren im Auftrag einer der Hilfsrichter unterwegs.
Der Richter erklärt, es habe am Vormittag ein ausführliches Rechtsgespräch gegeben. Er beginnt danach die schriftliche Zusammenfassung des Rechtsgespräch in rasend schneller Weise vorzulesen, wohl damit Presseverteter und Zuhörer nicht sonderlich mithalten und mitschreiben können. Er liest auch den zweiten Absatz eines Vermerks bezüglich Anträge des vormittaglichen Gesprächs vor. Ein Rechtsgespräch wurde offenbar von Dr. Braun und dessen Verteidigung ausdrücklich nicht sonderlich erwünscht.
Geübte Schnell-Tipper können aufzeichnen, dass der vorsitzende Richter angibt, dass die Anwältin von Herrn von Erffa im Rechtsgespräch folgende Themen vorgeschlagen hat, in denen ihr Mandant detaillierte Aufklärungshilfe geben könne:

a) Zusammenarbeit mit EY (wie war was organisiert, welche Prüfungen wann zu welchem Zeitpunt, was waren die Themen, Aufgaben und Zuständigkeiten)
b) Ablauf von Bilanzerstellungen
c) Geschäftsvorfälle, was wurde an welche Personen kommuniziert
d) Softwarekäufe und -verkäufe
e) Konzernbuchungen
f) offene Forderungen (Marsalek)
g) Cash Equivalent
h) Rolle von Burkhard Ley, von Knoop, Holten, welche Rolle hatten diese intern
i) oCap
j) Softbank, Zitzmann-Liste
Es wird weiter rasend schnell vorgelesen durch den Richter, die Staatsanwaltschaft musste offenbar weiter überlegen bezüglich eines "Geständnisses", der vorsitzende Richter forderte ein "standhaftes Geständnis", man solle sich bezüglich des Strafmaßes an der Anklage richten. Ein "Geständnis" durch von Erffa könne angeblich "großen Wert" haben, eine Strafe auf Bewährung könne ausgeschlossen werden, "es sei denn ein Geständnis sei werthaftig". Angeblich sei eine Schadenssumme von ungefähr 500 Millionen Euro im Raum in Bezug auf von Erffa, die Staatsanwaltschaft müsse dem Strafmaß beitreten.
Offenbar wurde beim Rechtsgespräch reichlich verhandelt, es wurde offenbar eine Freiheitsstrafe von 2,5 Jahren auf Bewährung durch von Erffas Anwältin vorgeschlagen, ein "Geständnis" durch von Erffa habe fehlende Werthaftigkeit, sie hatte weiter auf Aufklärungswillen und -hilfe durch von Erffa verwiesen. Der Richter beharrte hingegen weiter auf ein "notwendiges Geständnis" durch von Erffa, über eine Werthaftigkeit könne diskutiert werden, wenn ein "Geständnis" erfolgt sei. Er sehe "keine Hinweise für eine Freiheitsstrafe von 2,5 Jahren auf Bewährung" für von Erffa.
Oberstaatsanwalt Bühring teilte im Rechtsgespräch mit, man "habe in Bezug auf Burkhard Ley bereits Anklage erhoben", er forderte offenbar eine "eigene Vernehmung von von Erffa durch die Staatsanwaltschaft", man können generell die bisherigen Ermittlungsergebnisse weiter verwenden. Der Richter erklärt weiter, dass in Bezug auf die durch von Erffas Anwältin geltend gemachte Persönlichkeitsstörung "grundsätzlich keine Strafminderung zu erwarten" sei. Man habe die schriftlichen Aussagen geprüft, jede Aussage diesbezüglich.
Für eine generelle Diskussionsgrundlage bezüglich eines laut vorsitzendem Richter angemessenen Strafmaßes gab es im Rechtsgespräch seitens des Gerichts einen Rahmen von 6 bis 8 Jahren Freiheitsentzug, allerdings nur bei einem "qualifiziertem Geständnis", welches zudem noch "zeitnah" laut vorsitzendem Richter zu erfolgen habe. Dies sei generell die Grundlage. Von Erffas Rechtsanwältin sah dies als zu hoch an. Oberstaatsanwalt Bühring gab als Untergrenze eine Freiheitsstrafe von 7 Jahren zu Protokoll, man werde dies mit dem Gericht diskutieren.
Die Verlesung der Zusammenfassung des Rechtsgesprächs vom Vormittag ist nun beendet, der Richter erklärt jetzt offiziell, dass die ehemaligen Rechtsanwälte Dierlamm, Meier, Werning von Dr. Braun ihre Mandate beendet hätten. Neben Theres Krausslach ist nun eine weitere Pflichtverteidigerin mit Namen Kalweit bestimmt worden, die bereits hier im Gericht neben Dr. Braun sitzt, ferner sei offenbar auch Rechtsanwalt Werning als Pflichtverteidiger benannt worden.
Die Verteidigung von Dr. Braun hat nun das Wort und verliest einige Beweisanträge sowie Erklärungen. Die erste Erklärung bezieht sich auf die Zeuginnen Brandes und Maurer von Webinc, sowie deren widersprüchlichen Aussagen. Die Aussagen waren geprägt von "Informationszurückhaltung und massiven Erinnerungslücken", Zeugin Maurer wurde z.B. befragt, ob sie Jan Marsalek kennen würde, was diese verneinte. Erst nach etlichen Emails, in denen es auch ein "Flirtgespräch" zwischen beiden gab, gestand Zeugin Maurer, dass sie Marsalek und Frau Häuser-Axner kennen würde. Sie gab stets an, Kontakte mit Kunden, Firmen und Händler, die mit Wirecard verstrickt waren, ausschließlich auf Messen kennengelernt zu haben.
Es wurden etliche Sachverhalte eruiert, bei denen sich die beiden Webinc Zeuginnen an keine Zahlungen erinnern konnten; oder diese falsch herum angaben, es sich nicht um Händlerauszahlungen handeln konnte, da der Händler die Zahlung tätigte. So z.B. bei Apical, Centurion, Marakkel Management, und anderen. Die Webinc Zeuginnen gaben ebenso an, die Pittodrie Finance angeglich nicht zu kennen. Durch Verlesen von gewissen Konten, die alle von Bellenhaus und Marsalek kontrolliert waren, sei bewiesen, dass Einzahlungen von über 1 Milliarde Euro auf diesen Konten zumeist aus hohen Einzahlungen typisch für Kommissionszahlungen aus dem Drittpartnergeschäft getätigt wurden. Es sei zudem bewiesen, dass auch Händler der Webinc-Kundenliste Einzahlungen teilweise auf alle diesbezüglichen Konten in dreistelliger Millionenhöhe tätigten, so die Verteidigung in Erklärungen zu den Zeuginnen Brandes und Maurer.
Danach folgte eine Erklärung zum Zeugen Albrecht, welcher bei DWS tätig und dort verantwortlich für einen Teil der Investitionen in Wirecard Aktien war/ist. Der Zeuge erklärte bei seiner Vernehmung, dass man bereits seit 2014 in die WDI-Aktie investierte. Die Investmententscheidung beruhte auf Beratungen von externen und internen Analysten, die alle zu dem Ergebnis kamen, dass die Wirecard mit einem positiven Kursziel zu bewerten war. Auch das Aktienrückkaufprogramm der Wirecard AG war laut Aussagen des Zeugen eine vertrauensbildende Maßnahme bezüglich der Investitionsmotivation. Die Wirecard Vision 2025 mit zukünftigen Geschäftsprojektionen wurde von Albrecht positiv bewertet und glaubhaft mit einem Wachstum von 28% als normal für Online-Payment-Märkte bezeichnet.
Regelmäßig wurden mit dem Zeugen Albrecht, anderen Analysten und der Wirecard AG Analysten-Calls abgehalten. So z.B. auch am 6. Mai 2020, nach Veröffentlichung der Ad-Hoc Meldung nach KPMGs ersten Darlegungen der Sonderprüfung. Albrecht erklärte in seiner Vernehmung, dass der Aufsichtsratvorsitzende Thomas Eichelmann hier nicht sonderlich über das Ergebnis besorgt war. Eichelmann habe nicht mit der Mehrzahl der Meinungen der Grossinvestoren übereingestimmt. Als Albrecht befragt wurde, ob Eichelmann die Ad Hoc Pflicht verletzt habe, gab der Zeuge an, dass ein Hendrik Schmidt den Vermerk seitens der DWS gefertigt hat und man diesen befragen solle. Es wird beantragt, Hendrik Schmidt als Zeugen zu laden, da Eichelmann aussagte, dass es keine Verletzung der Ad-Hoc Pflicht gab.
Die Verteidigung von Dr. Braun macht nun einen Beweisantrag bezüglich der Aussagen eines gewissen Zeugen Trümper aus Wirecards Rechtsabteilung. Dieser bestätigte, dass die Rechtsabteilung weder chaotisch noch unorganisiert war. Man war keinesfalls schlecht organisiert gewesen. Anbindungen mit externen Anwälten waren jederzeit möglich laut Aussagen des Zeugen. Es war eine funktionsfähige Rechtsabteilung gewesen. Der Zeuge war zuständig für Beraterverträge, die fast ausschließlich von Jan Marsalek an ihn getragen wurden, er hatte keinen Kontakt zu Dr. Braun. Bezüglich des oCap Vertrages wurde dies von Jan Marsalek initiiert und durch Wulff Matthias im Aufsichtsrat unterzeichnet.
Keiner der betreffenden Aufsichtsrat-Beschlüsse sage aus, dass die Sachverhalte um oCap chaotisch oder falsch gewesen seien, es gab somit weder Druck noch Verschleierung, noch wurde etwas von Dr. Braun manipuliert, so die Verteidigung. Es wird nun beantragt, jeweils die erste und letzte Seite von insgesamt 5 Aufsichtsratprotokollen von zumeist 2019 einzusehen. Diesem wird sofort stattgegeben, die jeweiligen Seiten erscheinen auf dem Gerichtsprojektor. Alle sind von Wulff Matthias persönlich unterzeichnet, mehr oder weniger alle Aufsichtsratmitglieder sind als Teilnehmer auf der ersten Seite gelistet.
Eine weitere Erklärung seitens der Verteidigung von Dr. Braun bezüglich der Zeugin Alina Friedrich wird verlesen. Darin heisst es, dass Friedrich angab, das einige von Wirecards großen Händlern auf Drittacquirer verlagert wurden, hier wurde durch die Zeugin speziell Allied Wallet genannt. Die Zeugin bestätigte ebenso, dass Häuser-Axtner das TPA-Geschäft detailreich und überzeugend beschrieben hatte und jederzeit darüber Auskunft habe geben können. Die Zeugin gab irreführende Auskünfte über eine "Abschottung des TPA Geschäfts", dies sei entgegen der Tatsache, dass das TPA-Geschäft im Controlling beim Budgetprozess geplant und diese Planung aus Controllingsicht durchaus hinterfragt wurde. Weshalb nun beantragt wird, eine Reihe von Emails zwischen Oliver Bellenhaus, Steffen Elsner, Jan Marsalek und Brigitte Häuser-Axtner per Urkundenvermerk zu verlesen.
Aus diesen Konversationen sei ersichtlich, dass Oliver Bellenhaus detaillierte Monats- und Quartalsplanungen für das TPA Geschäft habe erstellen lassen. Damit sei eine der Schlüsselaussagen des staatsanwaltschaftlichen Kronzeugen Bellenhaus falsch, keine Planungszahlen für das TPA Geschäft selbst abgegeben zu haben, sondern im Nachhinein Zahlen manipuliert zu haben, die durch von Erffa vorgegeben worden seien. Die E-Mails würden ebenso belegen, dass nicht von Erffa an Bellenhaus Quartalszahlen für das TPA Geschäft vorgegeben habe, sondern dass umgekehrt Oliver Bellenhaus mit Brigitte Häuser-Axtner und Jan Marsalek Jahres- und Quartalsplanungen für das TPA Geschäft erstellt hätten, diese wurden dann dem Controlling dargebracht.
Desweiteren gab es Widersprüche in den Aussagen der Zeugin Friedrich in Bezug auf Zusammenlegungen von verschiedenen IT-Systemen (Data Warehousing), welche sie als "nicht unterstützt vom Vorstand" bezeichnete, aber nicht konkreter darauf einging. Aussagen von Steidl würden diese Sicht widerlegen, so die Verteidigung von Dr. Braun, man beabsichtigte in der Tat durch und über den Vorstand gesteuert und gefördert ein zentrales Datawarehouse aufzubauen, insbesondere nachdem in Asien die Server regelmäßig - und bestätigt - überlastet waren. Bezeichnend ist, dass der Vertreter eines bekannten, in München basierten, massenmedialen Medienunternehmens nun um genau 15:01 Uhr den Gerichtsaal verlässt, um seinen Artikel im einem kleinen, separaten Raum zu schreiben. Dort gibt es keine Audio- oder Videoübertragung der Gerichtsverhandlung hinein. Ein weiterer massenmediale Berichterstatter verlässt den Gerichtsaal einige Minuten später ebenso.
Weiter geht es mit einer Erklärung zu den Aussagen des Zeugen Franke, angesiedelt im Group Accounting Bereich bei Wirecard. Dieser sagte aus, dass das TPA-Geschäft eben keine sog. BlackBox gewesen sei, es wurde laut seinen Darlegungen auch nicht abgeschottet oder isoliert betrachtet. Dateien mit Bezug zum TPA-Geschäft waren auf einem virtuellen oder physikalischen Datenträger abgelegt, auf welches jeder in Frankes Abteilung Zugriff hatte. Es gab zu keinem Zeitpunkt Anweisungen an ihn, über das TPA-Geschäft nicht zu sprechen, er habe die Zahlen bezüglich des TPA-Geschäfts explizit eben nicht mit von Erffa, sondern mit Oliver Bellenhaus abgestimmt, Franke kontaktierte regelmäßig Oliver Bellenhaus bezüglich der TPA Zahlen, nicht von Erffa.
Bellenhaus und Frau Häuser-Axtner konnten das TPA-Geschäft für den Zeugen Franke auch durchaus verständlich erklären, beteiligte Personen sahen laut Franke das TPA-Geschäft als real an, er hatte keine Zweifel an der Existenz desselben. Es seien Mutmaßungen gewesen, die der Zeuge Franke so auch betitelte, dass Herr von Erffa mit den Zahlen des TPA-Geschäfts zum Vorstand gegangen sei, um diese dort zu diskutieren und/oder gar abzuändern. Diese Vermutungen des Zeugen konnten durch Email-Konversationen durch die Verteidigung von von Erffa bereits widerlegt werden. Vorläufige Quartalszahlen wurden ohne das TPA-Geschäft nicht präsentiert, dies sei über zeitliche Email-Abläufe nachgewiesen, so die Verteidigung.
Der Zeuge Franke mutmasste laut Verteidigung von Dr. Braun ebenso, dass die Quartalszahlen ohne das TPA-Geschäft ein defizitäres Unternehmen hinterlassen hätten. Dies würde nicht der Realität entsprechen, mehr oder weniger jeder Konzern sei defizitär, wenn sämtliche Kosten bereits verbucht seien, ein wesentlicher Umsatz aber noch nicht. Wenn man die Zahlen aus dem Rödl Gutachten mit den Zahlen der Wirecard Jahresabschlüsse von 2014 bis 2018 abgleiche, ergebe sich ein ganz anderes Bild: der Umsatz habe auch ohne das TPA Geschäft ein enormes Wachstum aufgewiesen, so die Verteidigung Dr. Brauns.
Ohne das TPA-Geschäft mit einzubeziehen(!), stieg der Umsatz der Wirecard AG von ca. 290 Millionen Euro in 2014 auf ca. 980 Millionen Euro in 2018 und verdreifachte sich so, durchschnittlich stieg der Umsatz von 2014 bis 2018 jedes Jahr um die 35% im Nicht-TPA Geschäft. Auch der Rohertrag aus Nicht-TPA-Geschäften stieg von 2014 bis 2018 enorm an und verdreifachte sich von 150 Millionen Euro in 2014 auf 400 Millionen Euro in 2018. Dies, trotz der bilanzbelastenden Übernahme des Portfolios der Citi Bank in 2016. Insgesamt wurden im Nicht-TPA-Geschäft von 2014 bis 2018 ungefähr 1,3 Milliarden Euro erwirtschaftet, der gesamte Nicht-TPA Bereich sei damit enorm profitabel gewesen und das Gegenteil von defizitär. Dies sei auch daran zu erkennen, dass in 2015 eine Rohertrags-Marge vor der CitiBank-Übernahme im Nicht-TPA Bereich mit ca. 55% sogar über der des TPA-Geschäfts lag.
Nach der Citi Bank Übernahme erst sei die Rohertrags-Marge in 2016 gesunken, im Nicht-TPA-Geschäft lag diese in 2018 aber wieder bei 40%. Der Vorstand habe zudem ab 2014 hohe Investitionen für Wirecards globale Expansion insbesondere in Asien angestemmt. Dies nicht nur durch Geschäftsübernahmen, sondern auch durch starken Personalaufbau sowie dem Aufbau von Infrastrukturen. Die Mitarbeiterzahl stieg von 1750 in 2014, auf 5140 in 2018. In der Gesamtsumme stiegen Wirecards operative Kosten von 119 Millionen Euro in 2014, auf 392 Millionen Euro in 2018.
Die Verteidigung erläutert nun wohl einen Schlüsselsatz, den die beiden massenmedialen Vertreter verpassten, da abwesend: ein großer Teil dieser massiven Investitionen hätten erst ab 2020 (!) den entsprechenden Ertrag erwirtschaftet, weil ab 2020 sowohl das übernommene CitiBank Acquiring Geschäft sowie ab Mitte 2020 auch das TPA-Geschäft weg von den Drittpartnern hin auf eigene Acquiring Lizenzen sowie sog. 'Bin-Sponsorship' Beziehungen verlagert werden sollte. Die massenmedialen Vertreter verpassten auch den nun folgenden Antrag der Verteidigung von Dr. Braun, in welchem ein Sachverständiger beauftragt werden soll, Umsatz und Rohertrag für die Jahre 2014 bis 2018 im Nicht-TPA Bereich festzustellen, und die oben genannten Zahlen zu bestätigen.
Zum Beleg, dass Dr. Braun selbst das TPA Geschäft ab Mitte 2020 weg von den TPAs auf eigene Lizenzen verlagern wollte - somit Gelder weg von Treuhandkonten auf Konzernkonten verlagert worden sollten - beantragt die Verteidigung, einen Bloomberg Artikel von Mai 2020 zu übersetzen und vorzulesen, welcher von Dr. Braun selbst getätigte Aussagen wiedergebe. In diesem Artikel wird angegeben, dass man seitens Wirecard vorhabe, komplett aus dem TPA-Geschäft auszusteigen. Der Artikel belege zudem, dass Dr. Braun von der Existenz des Drittpartnergeschäftes überzeugt gewesen sei, auch und besonders zum damaligen Zeitpunkt noch.
Es wird eine zusätzliche Erklärung bezüglich der Zeugendarlegungen des Wirecard Bankenchefs Rainer Wexeler durch die Verteidigung von Dr. Braun abgegeben. In Bezug auf die oCap Kreditvergabe wurde seitens des Vorstandes keinerlei Druck auf die Bank ausgeübt, so die Verteidigung, noch gab es durch Dr. Braun eine aktive Beteiligung an der Darlehensvergabe. Diese wurde vielmehr durch Jan Marsalek initiiert und gesteuert. Wexeler legte dar, dass Marsalek die Initial-Email zur oCap-Angelegenheit verschickte, sämtliche folgende Korrespondenz lief ebenso über Jan Marsalek. Zum Beweis werden insgesamt 7 Emails aus 2017 beantragt, verlesen zu werden, ggf. deutsch übersetzt. Dr. Braun sei erstmals durch eine Email vom 8. Dezember 2017 involviert gewesen, dies durch eine Konversation mit Burkhard Ley, welche ebenso beantragt wird, verlesen zu werden, 4 weitere folgende Konversationen mit Beteiligung des Aufsichtsrates ebenso.
Aus den Konversationen gehe hervor, dass Dr. Braun keinerlei Kenntnisse über etwaige betrügerische Sachverhalte in Bezug auf die oCap Kreditvergabe gehabt haben kann, er sei auch nicht in die Vergabe des Kredites sonderlich eingebunden gewesen. Wexeler selbst hatte ausgesagt, dass er am 22. November 2018 den Aufsichtsratvorsitzenden Wullf Matthias persönlich angerufen hatte, um ihm mitzuteilen, dass er den Kredit erst dann freigeben könne, wenn der gesamte Aufsichtsrat zugestimmt hätte, was dann noch am selben Tag erfolgte. Noch im März 2019 hatte Wexeler zudem eine Verlängerung des oCap Kredites zugestimmt, das oCap-Rating hatte sich verbessert, laut Wexeler. Diesbezüglich wird nun beantragt, die oCap Kreditvorlage-Dokumente von 2017 sowie eine oCap-Stellungnahme von 2019 zu beurkunden.
In weiteren Erklärungen bezüglich Wexelers Zeugenaussage erläutert die Verteidigung von Dr. Braun, dass Beträge in Millionenhöhe über die Konten der Drittpartner Al Alam, PayEasy und Centurion geflossen seien, diese aber nicht sonderlich auffällig waren, laut Wexelers Darlegungen. Weiter erklärte Wexeler, dass das Acquiringvolumen der Wirecard Bank erheblich gestiegen war in den letzten Geschäftsjahren, die TPA-Volumenzahl sah Wexeler ebenso als durchaus realistisch an. Die Erklärungen enden mit Wexelers Darlegungen bezüglich seiner persönlichen Freundschaft mit Abdallah Turki, sowie dessen widersprüchlichen Angaben bezüglich der Wahrnehmungen von Dr. Braun und Jan Marsaleks angeblich engem, freundschaftlichem Verhältnis.
Danach übernimmt die Verteidigung von Oliver Bellenhaus das Wort und gibt Erklärungen ebenso bezüglich Wexelers Darlegungen. Man beantragt nun ernsthaft, Berichterstattungen der Vernehmung der laut Ansicht von Bellenhaus Verteidigung durch-und-durch glaubwürdigen Zeugenaussagen Rainer Wexlers von April 2024 u.A. durch die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FaZ), dessen Journalisten bezeichnender Weise seit Stunden auch heute bereits den Gerichtsaal entweder bereits verlassen hatten, oder gar nicht erst anwesend waren, per urkundenbeweis vorzulesen. Die Verhandlung endet einige Zeit später und wird am Montag fortgeführt.






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Dieser Artikel wurde vollständig von Martin D., akkreditierter, unabhängiger, investigativer Journalist aus Europa verfasst. Er arbeitet nicht für ein Unternehmen oder eine Organisation, das/die von diesem Artikel profitieren würde, er berät solche nicht, besitzt keine Anteile an diesen und erhält bis dato auch keine finanziellen Mittel von solchen.

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