iner der größten Geheimdienstskandale der Nachkriegszeit wurde in den 1970er Jahren aufgedeckt, als ein Vertreter der Schweizer Firma 'Crypto AG' im Iran plötzlich unter Spionageverdacht verhaftet wurde. Der routinemäßige Besuch des Schweizers im Iran, bei dem er für die neuesten Verschlüsselungsgeräte für diplomatische Kabel und Telegramme warb, endete mit einer neunmonatigen Haftstrafe, aus der er erst nach vielen diplomatischen Bemühungen entlassen wurde.
Nur wenige Jahre zuvor, im Juni 1970, hatten der deutsche Bundesnachrichtendienst BND und die CIA gemeinsam und heimlich über einen Offshore-Fonds eine Mehrheitsbeteiligung an der
Schweizer Firma Crypto AG erworben. Das in den 1950er Jahren von dem russischstämmigen Schweden Boris Hagelin - der enge Freunde in den höchsten Kreisen des NSA und der CIA hatte - gegründete Schweizer Unternehmen stellte Dechiffriermaschinen für viele Regierungen der Welt her, um deren hochsensible diplomatische und interne Telegramme zu verschlüsseln. Einige Ingenieure der Swiss Crypto AG wurden jedoch ausdrücklich angewiesen, technische Komponenten in die Geräte einzulöten, die es sowohl der BND-Zentrale als auch der CIA ermöglichten, die vermeintlich vollständig geschützten Nachrichten zu lesen, wann immer man wollte. So versorgten BND und CIA die britische Regierung während des kurzlebigen Falklandkrieges mit detaillierten Positionsplänen der argentinischen Streitkräfte und unterstützten auch den Staatsstreich des Diktators Pinochet in Chile, der über die Absichten der chilenischen Regierung vorab informiert wurde.
Der Skandal erschütterte viele, die in den Geheimdiensten damals tätig waren. Beteiligte Akteure bestritten zumeist jegliche Verwicklung mit CIA und BND.
Freigegebene CIA Dokumente belegen erst seit kurzem die frühe zentrale Rolle des schwedischen Tüftlers Hagelin und seiner Crypto AG in der Schweiz, eine Firma, die konkrete Anweisungen für den Bau ihrer Dechiffriermaschinen zum Teil sogar direkt aus dem CIA-Hauptquartier in Langley erhielt.
Der letzte CEO von Crypto AG von 2001 bis zur Liquidation im Jahr 2018 war eine Person namens Giuliano Otth, ein IT-Sicherheitsexperte, der zu Beginn seiner Karriere bei Google arbeitete. Er unterstützte offenbar die Liquidation von Crypto AG und die Übertragung deren
Komponenten an zwei andere Unternehmen, nachdem klar wurde, dass die digitale Revolution die alten und schweren Verschlüsselungsmaschinen obsolet machen würde. Der schwedische Maschinenbaugigant Linde schnappte sich den Markennamen mitsamt der internationalen Produktrechte und Vertriebsnetze. Das zweite Unternehmen, das wichtige Teile der ehemaligen Crypto AG aufkaufte, war ein Schweizer Cybersicherheits-Unternehmen mit Namen 'CyOne Security AG' -
Das zweite Unternehmen, das wichtige Teile von Crypto AG kaufte, war ein Schweizer Cybersicherheits-Unternehmen mit Namen 'CyOne Security AG' - wie die Crypto AG ebenfalls in Steinhausen ansässig. Dort betreut man ab 2018 die ehemaligen Schweizer Inlands-Vertriebskanäle und Kunden der aufgelösten Crypto AG.
wie die Crypto AG ebenfalls
in Steinhausen ansässig. Dort betreut man ab 2018 die ehemaligen Schweizer Inlands-Vertriebskanäle und Kunden der aufgelösten Crypto AG.
Nachdem alle restlichen Vermögenswerte der skandalumwitterten Crypto AG schliesslich an andere übertragen und die Firma 2018 liquidiert wurde, seilte sich deren letzter CEO Giuliani Otth mit den verbliebenen Teilen der Crypto AG ebenso ab. Er wurde unverzüglich neuer CEO der CyOne Security AG. Etwas danach, am 17. September 2020, gab man bei der CyOne Security AG bekannt, dass man mit einem anderen Schweizer Unternehmen
fusionieren werde, das explizit an verschiedenen IT- und Cybersicherheits-Unternehmen beteiligt ist: die in Zürich ansässige Monterosa Group, eine Schweizer Aktiengesellschaft in Privatbesitz. Der Wert des Deals wurde nicht bekannt, Insider gehen davon aus, dass man sich im dreistelligen Millionen-Dollar-Bereich bewegt.
Wie in einem lichtgeschützten Tal am Fuße eines Schweizer Berges wird es jedoch etwas düster, wenn man versucht, an Nachrichtenartikel über die Fusion heranzukommen, welche am 17. September 2020 verkündet wurde. Abgeschlossen wurde die Übernahme der CyOne Security AG durch die Monterosa Group am 3. Oktober 2020. Die ehemals lange Liste
früherer Pressemitteilungen und Artikel über die Fusion sind allesamt aus dem Netz gelöscht worden. Nur eine Handvoll Internetarchive erlauben es,
einige Artikel als Text abzurufen. Offensichtlich war jemand in der jüngeren Vergangenheit sehr fleißig und erfolgreich, jegliche Spuren der Übernahme der Schweizer Nachfolgegesellschaft CyOne Security AG der skandalumwitterten Crypto AG in Steinhausen durch die Monterosa-Gruppe im September 2020 zu verwischen.
Vielleicht liegt das an einem gigantischen Feuerball, der gegen Mitte März 2023 in das sonst schattige und lichtarme Tal des Schweizer Berges eingefallen zu sein scheint. Im nagelneuen Gerichtssaal der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim hatte die Verteidigung des ehemaligen Wirecard-Vorstandsvorsitzenden Dr. Markus Braun erst vor wenigen Monaten
einen Verfahrensantrag verlesen, in welchem man das Gericht aufforderte, unverzüglich auf die Ergebnisse intensiver Recherchen von Wirecards Finanztransaktionsunterlagen zu reagieren. Die Verteidigung nannte insbesondere drei Unternehmen, über die in den Jahren und Monaten vor der Insolvenz Mitte 2020 ca. 340 Millionen Euro still und heimlich von den Konten der Wirecard abgezweigt worden sein sollen. Eine dieser drei vor Gericht erwähnten Firmen ist eine 'Monterosa Services AG', zusammen mit der CyOne Security AG eine von
insgesamt 9 Tochtergesellschaften der oben erwähnten Monterosa-Gruppe; beide Monterosas haben die exakt gleiche juristische Geschäftsadresse in Zürich. Erst kürzlich, am 1. Juli 2023, gab der Technologiepartner der Schweizer Armee
RUAG MRO Holding AG überraschend bekannt, dass man die CyOne Security AG vollständig übernommen habe und seither deren einziger Aktionär sei.
Die Liste der Senior Advisors der 'Monterosa Services AG', die offenbar alle
heute noch aktiv sind, ist beeindruckend. Darunter finden sich prominente Schweizer Namen wie Dr. Hans-Ulrich Rihs, ehemaliges Mitglied der Konzernleitung der UBS AG, der auch als Präsident des Verwaltungsrates der Swiss Re und als Mitglied des Verwaltungsrates der Credit Suisse tätig war. Oder der Schweizer
Milliardär Dr. Peter Spuhler, Gründer und CEO von Stadler Rail, der auch Mitglied des Verwaltungsrats der ABB AG und ehemaliges Mitglied des Verwaltungsrats der Swisscom ist. Ebenfalls erwähnenswert ist der Senior Advisor der Monterosa Services AG,
Dr. Thomas Minder, ehemaliger Nationalrat und ehemaliges Mitglied des Verwaltungsrats der Swisscom. Dann ist da noch
Dr. Christoph Blocher, ehemaliger Bundesrat und ehemaliges Mitglied des Verwaltungsrats der Ems-Chemie, dessen Familie zu den fünf reichsten der Schweiz gehört. Und last but not least
Dr. Hans-Rudolf Merz, ehemaliges Mitglied des Bundesrats, Kandidat für die Schweizer Präsidentschaft 2009 und ehemaliges Mitglied des Verwaltungsrats der Credit Suisse. Er ist auch ehemaliger Präsident des Verwaltungsrats der UBS AG.
Der vielleicht größte Geheimdienstskandal, der in den 1970er Jahren ans Licht kam und in den die Crypto AG, der BND und die CIA verwickelt waren, könnte womöglich verblassen im Vergleich zu dem, was in den dunklen, schattigen Bergtälern der Schweiz noch liegt.