Sun24 News

Wirecard eingetütet, Staffel 1: Sechste Episode, Der Marsalek-Brief

Ein investigativer Podcast über den Wirecard-Skandal im Münchener Stadelheim-Gerichtsaal

Eine weitere Folge des 'Wirecard eingetütet' Podcasts, es geht in dieser Staffel 1 um detaillierte Insiderdarlegungen zum weit über einem Jahr lang andauernden Verfahren im Münchener Stadelheim-Gefängnis-Gerichtssaal.

Dies ist die sechste Episode über das Wirecard Gerichtsverfahren.

Inhalt:
Man möge sich bitte auf diesen Beweisantrag vorbereiten (→ ab 00:49)
The Web und The Bridge (→ ab 01:42)
Der plötzliche Fokus auf Jan Marsalek (→ ab 03:22)
Wer ist Melanie Bergermann ? (→ ab 04:01)
Die anti-linearen Anwesenheiten von massenmedialen Journalisten (→ ab 06:38)
Die Marsalek-Brief Ablenkungen (→ ab 07:45)
Der Brief aus heiterem Himmel (→ ab 09:03)
Der umdirigierte Fokus (→ ab 11:56)

Staffel 1, Episode 6

Wirecard eingetütet - Das Gerichtsverfahren

00:00

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Transkript

(Musik) 

Wirecard eingetütet, der Sun24 News Podcast, Staffel 1, Episode 6. 

Jörg: Es ist ja so, wenn Dierlamm die Stimme senkt und ganz leise wird, dann muss man gut zuhören. Und dann hat er so ganz neben mir gesagt, Herr Födisch, ich bräuchte da mal einen Tag, um einen Beweisantrag vorzutragen. Und dann dachte ich, oha, weil das wars jetzt endlich. Also Firmennamen sind immer wieder gefallen, aber zu dem Zeitpunkt hatte ich nichts Handfestes. Ich habe mich sehr intensiv darauf vorbereitet, habe auf Twitter, da hieß es damals noch Twitter, ich weiß gar nicht X, darauf hingewiesen, man möge sich doch bitte auf diesen Beweisantrag vorbereiten. Dann kam der Beweisantrag. Ich habe von dem Tag mehrere sehr ausführliche Mitschriften und war geplättet. Also ich muss sagen, ich glaube, seit dem ersten großen Zatarra-Bericht habe ich kein für mich so spannendes Dokument mehr gesehen wie diesen Beweisantrag. Das war wirklich der Hammer. Es ging jedenfalls über Seitenweise um Zahlungsverkehr, sehr konkret, von Konto sowieso an Konto sowieso, Pittodrie hier Millionen, da Millionen, Antigua sonstwo, Gelder in Hülle und Fülle, die hin und her geschoben wurden. Und Firmennamen, wo es bei mir geklingelt hat, wo ich teils 200 Dokumente zu bestimmten Firmen in meiner Datenbank habe. Also es hat nur noch geklingelt. Das war ein ganzes Glockenspiel, das bei mir abgegangen hat. 

Martin: Du hast, so weiß ich, da angefangen ab diesem Zeitpunkt mit dem Hashtag TheWeb. Die Summe von diesen anfänglichen 340 Millionen, die über Pittodrie gefunden wurden, die ist jetzt angestiegen auf etwas über zwei Milliarden.

Jörg: Das war ja immer die Schwierigkeit und auch investigative Journalisten eines völlig neutralen bayerischen Senders haben da ja auch völlig neutral dazu recherchiert. Aber die Frage, die die gestellt haben, war, wir können uns das Geld nicht erklären und wir können es nicht mit Wirecard in Verbindung bringen. Aber von Erfa hat die Antwort gegeben in seiner Stellungnahme. Er hat gesagt, Wirecard muss einen Spagat schaffen zwischen dieses Geld soll uns zustehen. Wir sollen die Gelder daraus ziehen, aber es darf keine Verantwortung geben. Er nannte das die Brücke und eigentlich muss man nicht sagen TheWeb, sondern The Bridge. Das ist im Moment das wichtigste Thema, die Brücke über den Quai. Und auch wieder, das hat er von Erfa deutlich gesagt und es hat keiner geschrieben. Weil das ist eigentlich fast schon die Erklärung dafür, wieso es so schwer fällt, dieses Geld direkt mit Wirecard in Verbindung zu bringen. Ich bin übrigens schon direkt nach der Insolvenz habe ich diesen Spruch losgelassen. Ich bin sicher, dass es das Cash gibt. Es ist nur nicht in den Bilanzen der Wirecard, es ist in der Hand des Dealers. Und das ist ja eigentlich die Kernidee der Braunverteidigung. Das heißt, diese Braunverteidigung hatte immer schon einen Wahnkern oder einen Kern, den man zumindest annehmen konnte. Nach wie vor meine Fassungslosigkeit, dass da keiner hinschaut. Und wie gesagt, von Erfa hat eigentlich mit dem Begriff Brücke eigentlich die Antwort gegeben. 

Martin: Rückblickend kann man sagen, dass anstatt genau zu diesem Zeitpunkt sich eigentlich zu fokussieren auf den Stadthalter von Dubai, Oliver Bellenhaus. Auf einmal, wie aus heiterem Himmel, so ungefähr Mitte 23, Herbst 23 ging es richtig los, der Fokus auf Jan Marsalek fiel, nicht wahr? Das Bombardement, habe ich so den Eindruck, das massenmedial auch begann, eigentlich als Marsalek diesen Brief veröffentlichte, nicht? Oder bin ich da falsch? 

Jörg: Ja, also es war so 13. Juli, der Beweisantrag. Das Interessante war, ich fand ihn faszinierend. Die Reaktion der Medien war im Prinzip inhaltlich null. Ich glaube, Melanie Bergermann, die an diesem Tag da war, hat überhaupt noch einen inhaltlichen Artikel geschrieben. 

Martin: Wer ist Melanie Bergermann? Melanie Bergermann. Wer ist das? 

Jörg: Melanie Bergermann, Wirtschaftswoche. 

Martin: Für Leute, die zuhören, die es nicht kennen. 

Jörg: Also ganz kurz, Melanie Bergermann hat 2016 zusammen mit Christoph Schürmann einen Artikel geschrieben über Zatarra, der ein Verriss von Zatarra war, in dem sich Melanie Bergermann mit Christoph Schürmann über die Leute, die die Bilanz der Wirecard hinterfragten, lächerlich gemacht hat. 

(Musik)

Jörg: Der Artikel hieß auch noch House of Wirecard, was ja auch schon sehr lustig war, weil das ja der McCrum schon hatte. Also die Aufklärung über Zatarra sollte kommen. Dann haben sie Zatarra ziemlich zerrissen, haben einige interessante Fragen gestellt, haben die E-Credit Plus erwähnt, die noch eine größere Rolle spielte. Also es waren schon einige spannende Details. Manche Firmen sind Rohrkrepierer. Über die Bilanzkritik der Süddeutschen haben sie sich ausgelassen und haben gesagt, naja, also so kompliziert ist die Bilanz von Wirecard auch nicht. Das ist jetzt nicht gerade eine Pommesbude in Herne, aber dass man die Bilanz nicht verstehen könnte. Also das war im Nachhinein ein sehr lustiger Artikel. Gut, vielleicht hätte die Melanie Bergermann lieber darauf verzichtet, aber er gehört nun mal zur Geschichte. Später, Melanie Bergermann vor allem mit Volker Terhaseborg zusammen absolut auf der kritischen Seite sehr viel über Dubai geschrieben. Und Melanie Bergermann hat mit Volker Terhaseborg das erfolgreichste, mit Abstand erfolgreichste Wirecard Buch immer noch bis heute, erfolgreicher als Dan McCrum geschrieben. Im Untersuchungsausschuss hatte fast jeder dieses Buch. Und das ist im Nachhinein ja auch so, dass das ja quasi auch die Diskussion bestimmte. Also das war das Standardwerk zu Wirecard. Ich habe einen kleinen Beitrag dazu geleistet. Genau, und dann war eben Prozessbeobachtung. Und am Anfang waren ja Bergermann und Terhaseborg mit dem WiWo-Blog, das eigentlich sehr gut war, das WiWo-Blog. Die Wirtschaftswoche hat einen Blog geschrieben. Die haben quasi alles mitgeschrieben oder so einiges mitgeschrieben, wie gesagt. Es war sehr spannend. Aber nach dem Beweisantrag, ich glaube an dem Tag hat die Melanie Bergermann nicht mal eine Zusammenfassung des Prozesstages geschrieben und seither geschwiegen. Absolut geschwiegen. Und Volker Terhaseborg war dann noch ein paar Mal da, immer an sehr erstaunlichen Tagen. Manchmal, da kamen irgendwie immer, es gab wohl so ein Geheimnistreffen immer. Ich weiß nicht, wie kritisch man das, Martin, du weißt es, dass die Anwesenheitsquote sehr erratisch war. 

Martin: Ja, antilinear würde ich sagen. Also, gibt es das Wort? Also anfänglich hui und dann mit zunehmender Prozessverfahrensdauer pfui, würde ich sagen.

Jörg: Ja, aber zu bestimmten Tagen... Wir werden auch noch auf von Erfa kommen. Das Gutachten von von Erfa, dass von Erfa jetzt doch nicht der völlig Verrückte ist, was ja nie die Frage war. Da kommen wir später noch zu. Aber es gab so Highlight-Tage, wo plötzlich der Laden wieder voll war. Bergermann war dann Juli und dann hat sich Bergermann nicht mehr zu geäußert. Volker Terhaseborg, der Kontakt mit ihm, der sehr eng war im Vorfeld, es gibt keinen Kontakt mehr zwischen mir und der Wirtschaftswoche. Wir haben uns anscheinend nichts mehr zu sagen. Oder, ich hätte sehr viel zu sagen, aber man hat mir nichts mehr zu sagen. Ich glaube, die Verteidigung von Dierlamm hat einen Riesenfehler gemacht, diesen Marsalek-Brief so bedeutsam zu machen. Denn er ist für mich bedeutsam, aber damit hat man von den eigenen Beweisanträgen abgelenkt, die diesen Marsalek-Brief überhaupt nicht gebraucht hätten. Man muss sich den Marsalek-Brief, und vor allem dieser Marsalek-Brief. Ich glaube, die Süddeutsche Zeitung hat in drei Tagen 11, 12, 13 Artikel zu diesem Marsalek-Brief herausgebracht. Marsalek, der kam zu sehr erstaunlichen Momenten, oft wenn gerade irgendwas Spannendes passiert ist. Zum Beispiel auch nach den Beweisanträgen, wobei gut, er hat in der Dierlamm eingeführt. Aber das war ja sehr erstaunlich, der Marsalek-Brief. Wer hat den überhaupt gelesen? Ich weiß nicht, es würde mich mal interessieren. Das Beste war wirklich Klaus Ott in der Süddeutschen, der in einem Kommentar von der Schmieren-Komödie sprach, die Verteidigung. Wo dann ernsthaft, Klaus Ott ist ja quasi der Über-Investigative bei Wirecard, also eine Beweihräucherung dieses Klaus Ott. 

(Musik)

Martin: Mitte 2023 sind wir jetzt, aus heiterem Himmel. Ich weiß noch, dass Jan Marsalek aus Moskau oder Russland oder wo immer er ist oder auf dem Mars plötzlich einen Brief an das Gericht in Stadelheim schreibt. An das Landgericht gestellt. Und das war dann wirklich schon Mitte 2023, so ist das gewesen. Als wenn so ein Jahr, ein halbes Jahr Wirecard, Gerichtsverfahren, die Bomben, die wir ja kurz beleuchtet hatten in den vorherigen Episoden, die waren wie weggeblasen. Und auf einmal war von jetzt an natürlich eine ganz tolle, auch ich aus meiner Sicht, muss man einfach sagen, rückblickend auch ein Stück Ablenkung vielleicht von dem, was vorher stattfand. Auf einmal war der Fokus Marsalek, Marsalek, Jan, und die Attacken gingen los, richtig? Also alle schossen auf dieses Thema, es ging hoch her. 

Jörg: Ja, Klaus Ott hat ein Kapitel dieses Jan-Marsalek-Briefs später in einem Podcast beschrieben und hat gesagt, und dann kommt irgendein wirres Zeug so ungefähr. Aber in diesem Kapitel standen entscheidende Informationen und wer auch immer diesen Brief geschrieben hat, wir können nicht sagen, der ist tatsächlich von Jan Marsalek geschrieben. Wir können sagen, in diesem Brief sind Insider-Informationen über die Wirecard, da sind Informationen auch über die Klickenbildungen in der Wirecard. Also es war mindestens ein Wirecard-naher Mensch, es könnte durchaus Jan Marsalek gewesen sein, eindeutig ist es meiner Meinung nach nicht. Aber was Fakt ist, dieser Brief hat, obwohl Braun den Jan Marsalek ja als einen der Haupttäter hinstellt, die These von Braun absolut bestätigt, in sehr entscheidenden und auch nachvollziehbaren Punkten. Und es gibt noch eine weitere spannende Sache, ich glaube es gibt nirgends eine unzensierte Version dieses Briefes, ich glaube nicht mal die im Handelsblatt ist unzensiert, denn da stehen Namen drin. Und da steht vor allem an einer Stelle ein Punkt, wo ich mir vorstellen könnte, welcher Name da stehen müsste und das ist absolut spannend. 

Martin: Ich habe den Monate später, nachdem also alle Welt über diesen berichteten, Auszüge nicht vom Brief Marsaleks direkt bekommen, sondern von der Zusammenfassung, welche dieser besagte Rechtsanwalt von Jan Marsalek verbreitet hat. Und ich kann bestätigen, dass dieser, selbst dieser Rechtsanwalt in seiner Zusammenfassung schreibt, dass das TPA-Geschäft erstens einmal wirklich existierte und zweitens, dass er Oliver Bellenhaus, den Kronzeugen der Staatsanwaltschaft, erheblich belastet. Und zwar über direkt gewisse Casinos, die genannt werden, über Glücksspiel, Geldwäsche, geht noch weiter über den Vorwurf, den Jan Marsalek in diesem Brief wohl angeblich stellen würde, dass Bellenhaus sich nachweislich Gelder abgezweigt hätte von Konten. Also auf jeden Fall eine sehr spannende Zeit, die aber, wie gesagt, den Fokus dann völlig umdirigierten. Das Gerichtsverfahren, was dort stattfand, war mehr oder weniger zweit- oder drittrangig. Es wurden jede Woche weiter Zeugen vernommen, auch interessante und wichtige. Es ging über in Richtung Ende Sommer 2023 in den Herbst hinein, so Richtung Compliance. Sehr viele Buchhalter, ehemalige, wurden befragt. Accounting, Leute im Umfeld von Herrn von Erffa, den ehemaligen Chefbuchhalter, der auch angeklagt war. Es waren durchaus ein paar interessante Zeugenvernehmungen dabei, die waren aber völlig außen vor. Auf einmal waren die in der öffentlichen Diskussion draußen überhaupt gar nicht mehr angesagt. In der öffentlichen Diskussion war Wirecard das Beiwerk für den Fokus Jan Marsalek und Österreich.

Jörg: Genau, und sehr spannend noch, jetzt ist ja quasi belegt, dass Jan Marsalek und Markus Braun zusammenarbeiten. Denn warum sonst hätte Jan Marsalek den Markus Braun so unterhalten? Das ist auch eine Behauptung, die der Klaus Ott geschrieben hat, eine absolute Unverschämtheit, sowas öffentlich zu schreiben. Wie gesagt, Klaus Ott und ich werden nicht mehr Freunde werden in diesem Leben. Aber ich meine, ich habe erwogen eine Beschwerde, eine Rüge zu machen beim Deutschen Presserat wegen des Kommentars von Klaus Ott, weil das geht nicht. Unter aller journalistischen Kanone, was da passiert ist. Und nicht das erste und nicht das letzte Mal bei der Süddeutschen. Wir sprechen da sicherlich nochmal drüber. 

Martin: Ja, man müsste aus heutiger Sicht leider, muss ich sagen, fast so weit gehen, um zu vermuten, dass man diese Jan Marsalek Geschichte in dieser Zeit so propagandiert hat, damit dann immer mehr der Fokus auch wieder auf Dr. Markus Braun fällt. In dieser Zeit kam auch dieses ominöse Verfahren in London mit den Bulgaren.

Jörg: Oh ja !

(Musik)

Sprecher:
Jörg - langjähriger Wirecard-Experte und Aufklärer
Martin - Investigativer Lead bei Sun24 News und Wirecard-Experte

Organisation und Realisierung:
Martin D. / Sun24 News

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Dieser Artikel wurde vollständig verfasst und geschrieben von Martin D., akkreditierter, unabhängiger, investigativer Journalist aus Europa. Er arbeitet nicht für ein Unternehmen oder eine Organisation, das/die von diesem Artikel profitieren würde, er berät solche nicht, besitzt keine Anteile an diesen und erhält bis dato auch keine finanziellen Mittel von solchen.

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